BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bekräftigen ihre geltende Beschlusslage auf Landes- und Bundesebene zu dem geplanten Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA). Wir lehnen das vorgelegte Abkommen ab, da – ungeachtet der erfolgten Nachbesserungen beim Investitionsschutz – weiterhin die von uns angelegten Maßstäbe nicht erfüllt werden.
Bei den anstehenden Abstimmungen im Bundestag und Bundesrat fordern wir alle Mandatsträger*innen auf, gegen den vorgelegten CETA-Vertrag zu stimmen.
Trotz Verbesserungen gibt es weiterhin einen vom öffentlichen Rechtsweg getrennten Sonderklageweg für kanadische und – über den Umweg ihrer kanadischen Töchter – auch für viele US-amerikanische Konzerne und Investoren. Wir lehnen es grundsätzlich ab, dass Investoren Sonderrechte erhalten. Völlig unbeachtet bleiben bei diesem Rechtsinstrument zudem die Pflichten von Investoren. Hinzu tritt die Benachteiligung von deutschen und europäischen gegenüber kanadischen und US-amerikanischen Investoren.
Weiterhin wird durch CETA auch das europäische Vorsorgeprinzip gefährdet. Der Grundsatz, dass nichts auf den Markt kommt, was sich potenziell gefährlich oder schädlich für Mensch und Umwelt auswirkt, hat sich bewährt. Dies darf nicht aufgegeben werden.
Nicht zuletzt ist die kommunale Daseinsvorsorge durch CETA gefährdet. Der Druck, kommunal erbrachte Dienstleistungen zu privatisieren, ist mit CETA weiterhin gegeben. Die von uns geforderte Positivliste, welche Dienstleistungen überhaupt für eine Privatisierung denkbar sind, ist nicht enthalten. Es wird weiter der
Ansatz einer Negativliste verfolgt, der lediglich einige wenige Bereiche ausnimmt und damit für die künftige Privatisierung neuer Dienstleistungen Tür und Tor öffnet und eine öffentliche Übernahme neuer Aufgabengebiete weitgehend ausschließt.
Präsident Trump macht CETA keinen Deut besser – im Gegenteil
Auch ein irrlichternder Präsident Trump im Weißen Haus verändert nicht unsere Bewertung des CETA-Vertrags mit Ottawa. Denn am materiellen Gehalt hat sich nichts verändert. Als größter Binnenmarkt der Welt sollte und kann die EU das Rückgrat haben, Bedingungen zu formulieren. Die Drohung Trumps, kanadischen Produkten und Dienstleistungen den Zugang zum US-Markt durch Verteuerung zu erschweren, sollte Kanada und Europa näher zusammen bringen. Transparente Neuverhandlungen mit breiter öffentlicher Beteiligung wären ein guter Anfang.
Als wichtiges Argument gegen CETA bleibt zudem bestehen und wird noch verstärkt, dass die rund 40.000 US-Konzerne durch die protektionistischen Ambitionen Trumps selbst Schutz im Heimatmarkt genießen, über ihre kanadischen Töchter und CETA aber selbst von einem Zugang zum EU-Markt plus exklusivem Klagerecht
profitieren. Das wäre einseitig zu Lasten der EU und Deutschlands und damit nicht in unserem Interesse.
Verhandlungen neu starten – mit Bürger*innenbeteiligung
Wir üben nicht nur Kritik am vorgelegten Vertrag, sondern insbesondere auch an seinem Zustandekommen. Die Zeiten, in denen Regierungen ohne Beteiligung von Volksvertretungen, der Zivilgesellschaft und direkt von Bürger*innen in geheimen Runden Verträge aushandeln, sollten endlich vorbei sein.
Frühzeitige und begleitende, transparente und nachvollziehbare Information und Beteiligung ist unumgänglich, um Verträge, die gesellschaftsverändernden Charakter haben, zu legitimieren. CETA ist diesbezüglich kein bisschen besser als TTIP und deshalb völlig inakzeptabel. Alle diese groben und nicht tolerierbaren Mängel können nicht mehr durch kleinere Veränderungen am Vertragswerk im Rahmen des Ratifikationsprozesses behoben werden. Zudem ist die Ratifikation auf der Ebene der EU-Gemeinschaftsinstitutionen Rat und Parlament bereits abgeschlossen. Nur ein neuer Verhandlungsprozess mit Bürger- und Parlamentsbeteiligung von Anfang an kann ein akzeptables Abkommen hervorbringen.
Die Menschen verlangen zurecht nach Transparenz und der Möglichkeit der aktiven Beteiligung bei gesellschaftsrelevanten Prozessen und Verträgen. Dies zeigt auch die überwältigend große Beteiligung am Volksbegehren gegen CETA. An nur einem einzigen Tag haben mehr als 50.000 Bayer*innen das Volksbegehren unterschrieben. Dies nicht nur, weil sie CETA ablehnen, sondern weil sie sich beteiligen möchten.
Dass die bayerische Staatsregierung sich diesem Wunsch versperrt hat, ist eine vertane Chance. Gerade eine Staatsregierung, die mit ihren umstrittenen Volksbefragungen selbst vorgeblich dem Bürger*innenwillen mehr Geltung verschaffen wollte, hätte durch eine Zulassung des Volksbegehrens beweisen können, dass Sie das Wahlvolk tatsächlich ernst nimmt.
Politik muss auch in Bayern endlich den Bürger*innen zuhören. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden daher den 50.000 Bürger*innen Gehör schenken, die CETA so nicht wollen, und in den Parlamenten entsprechend handeln.
Fairer Handel mit starker Staatlichkeit statt Neoliberaler Heilsbotschaften
Bayern und Deutschland profitieren vom Welthandel. BMW, Audi, Siemens und die zahlreichen „Hidden Champions“, die unbekannten Weltmarktführer in den Regionen, würden nicht so zum Wohlstand Bayerns beitragen, wenn der Handel mit zu vielen Hindernissen belegt wäre. Trotz des wirtschaftlichen Erfolges hat sich aber das reale Einkommen in Deutschland für 40 Prozent der Menschen seit 1999 unterm Strich nicht erhöht. Ausschlaggebend hierfür sind allzu freie Marktkräfte ohne ausreichende Transparenz, Steuerung und Umverteilung.
Konzerne, die ihre Gewinne verlagern und so Steuern umgehen, und Manager*innen, die – mit dem Verweis auf den angeblichen Weltmarkt – ihre Bezüge in unanständige Höhe schrauben sind nur die Spitzen dieses Befunds. Mit dereguliertem Handel gewinnen ökonomisch Starke hinzu, ökonomisch Schwächere werden immer verlieren. Handel ohne Regeln ist nicht fair, sondern macht Reiche reicher und Arme ärmer.
Wir müssen daher den Welthandel radikal reformieren. Wir brauchen fairen Handel, denn nur dieser ermöglicht Freiheit. Daher fordern wir Grüne internationale Regeln, die den Standort- und Steuerwettbewerb beenden, mehr soziale Gerechtigkeit schaffen, den Klimawandel aufhalten und eine ausgeglichene Handelsbilanz fördern.
CETA leistet das nicht, es ist ein vielmehr das „Weiter so“ mit der schädlichen Handelspolitik. Europa und Kanada sind sich kulturell vergleichsweise nahe. Diese Basis gilt es zu nutzen, um den Welthandel zum Besseren zu verändern. Ein Aus für CETA in seiner jetzigen Form, ist dazu der erste und entscheidende Schritt.
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