LDK-Beschluss

Für fairen Handel – Nein zu TTIP, CETA und TISA

Mit dem Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen TTIP zwischen der EU-Kommission und der US-Regierung soll der weltgrößte binnenmarktähnliche Wirtschaftsraum entstehen, in dem mehr als 800 Millionen Menschen leben. TTIP wird die Handelsstrukturen zwischen der EU und den USA vollkommen und grundlegend verändern.

TTIP steht für eine Politik, die hart erkämpfte Rechte und Standards untergräbt, statt sie zu stärken. Hauptziel des geplanten Handelsabkommens TTIP ist es, sogenannte „nichttarifäre Handelshemmnisse“ zu beseitigen; angeblich, um die Wirtschaft der TTIP-Vertragspartner EU und USA anzukurbeln. Davon abgesehen, dass nach allen Prognosen von einem nachhaltigen Impuls auf das Wirtschaftswachstum nicht ausgegangen werden kann, ist zu befürchten, dass unsere geltenden Standards auf undemokratischen Wegen zugunsten der Interessen von Großkonzernen schleichend einkassiert werden. Das gilt es zu verhindern.

Die Verhandlungen mit den USA, aber auch das bereits fertig verhandelte und veröffentlichte CETA-Abkommen mit Kanada, wie auch das Dienstleistungsabkommen TISA, sind für uns Grüne in der jetzigen Form nicht akzeptabel. Wir teilen die Sorge der Bürgerinnen und Bürger, deswegen sagen wir Nein zu TTIP, CETA und TISA! Handelserleichterungen dürfen nicht auf Kosten der Menschen, der Umwelt und unserer Demokratie gehen.

Wir wollen einen breiten Dialog mit der Zivilgesellschaft über die Handelspolitik der EU. Internationale Handels- und Dienstleistungsabkommen müssen transparent mit der Zivilgesellschaft verhandelt werden. Etablierte rechtsstaatliche Institutionen und demokratische Prozesse dürfen dabei nicht in Frage gestellt werden. Dem freien Handel darf nicht alles untergeordnet werden. Statt einseitig die Interessen von multinationalen Konzernen zu bedienen, muss auch internationale Handelspolitik zur Lösung der globalen Probleme wie Klimakrise, Artenschwund, weltweite Armut und Hunger beitragen. Unsere Vorstellung von wirtschaftlicher Zusammenarbeit ist nicht von einigen wenigen starken Akteur*innen im globalen Norden geprägt. Es muss ein gemeinsames Miteinander gefunden werden. Als Antwort auf die Globalisierung braucht es internationale Übereinkommen, die die Weiterentwicklung sozialer und ökologischer Standards erleichtern, sowie die Bedingungen für fairen Handel verbessern. CETA, TTIP und TISA zeigen in eine andere Richtung. Deshalb müssen die Verhandlungen gestoppt und nach diesen Maßstäben völlig neu aufgestellt werden.

Transparenz der Verhandlungen

Transparenz und Bürgerbeteiligung sind für uns eine notwendige Grundlage, damit unsere Demokratie funktioniert und politische Entscheidungen Akzeptanz in der Gesellschaft erfahren. Die Nicht-Zulassung der Europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“ war jedoch nur der traurige Gipfel eines von Beginn an undemokratischen Verhandlungsprozesses.

Von Anfang an fanden die Verhandlungen zu TTIP & Co. unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Erst auf den massiven Druck vieler zivilgesellschaftlicher Akteure und Parteien wie der Grünen hat die EU-Kommission sich in den letzten Monaten bewegt und mehr Informationen und Unterlagen zu den Verhandlungen veröffentlicht. Trotzdem bleiben die Verhandlungen zu TTIP viel zu intransparent: Selbst Europa- und Bundestagsabgeordnete dürfen wichtige Verhandlungsdokumente nicht einmal einsehen. Die USA weigern sich weiterhin, ihre Verhandlungspositionen zu veröffentlichen, die EU veröffentlicht nicht alle Verhandlungspapiere. Zu bereits konsolidierten Texten von TTIP haben nicht einmal gewählte Abgeordnete Zugang. Über TISA ist wegen der strikten Geheimhaltung noch fast gar nichts bekannt. Dies ist nicht nur den US-amerikanischen Verhandlern anzulasten, hierfür tragen auch die EU-Kommission und die nationalen Regierungen die Verantwortung. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, diese undemokratischen und inakzeptablen Verhältnisse endlich zu beenden.

Keine Klageprivilegien für multinationale Konzerne

Für private Schiedsgerichte gibt es keine Rechtfertigung. Sowohl die EU als auch die USA verfügen über entwickelte Justizsysteme. Ein Handelsabkommen darf keine private Paralleljustiz schaffen. Die Einrichtung eines dauerhaften, multilateral legitimierten und rechtsstaatlichen internationalen Handelsgerichts ist aus unserer Sicht ebenso wenig erforderlich, denn sowohl die Mitgliedstaaten der EU als auch die USA gewähren Investoren einen hinreichenden Rechtsschutz vor ihren nationalen Gerichten.

Die Handlungsspielräume der EU wie auch der Mitgliedstaaten und ihrer Parlamente dürfen durch Regelungen zum Investitionsschutz und den regulatorischen Rat nicht eingeschränkt werden. Das Recht zur Gesetzgebung und Regulierung ist unverhandelbar und darf weder direkt noch indirekt beeinträchtigt werden. Unsere demokratisch gewählten Volksvertreter*innen müssen auch weiterhin Regulierungen in allen Bereichen zum Wohl der Allgemeinheit beschließen dürfen, ohne sich vor Schadenersatzklagen multinationaler Konzerne fürchten zu müssen.

Selbst wenn es gelingen sollte, den Investitionsschutz heraus zu verhandeln, birgt das Abkommen erhebliche Risiken. Unsere Kritik an TTIP und Co. ist weitreichender und erledigt sich nicht mit der Aufgabe dieser einen Verhandlungsposition. Aus Grüner Sicht bliebe das Abkommen auch dann nicht akzeptabel.

Umwelt- und Verbraucherschutz stärken, das Vorsorgeprinzip bewahren

Die Befürworter des Abkommens, allen voran CDU und CSU, behaupten stets, dass weder TTIP noch CETA Einschnitte in den Umwelt- oder Verbraucherschutz oder eine Gefahr für das europäische Vorsorgeprinzip mit sich bringen werden.

Daran haben wir erhebliche Zweifel: Das geplante Abkommen ändert die Spielregeln grundlegend.

Weder CETA noch TTIP verweisen auf das Vorsorgeprinzip, das nach langen und schwierigen Verhandlungen in Europa etabliert wurde. Ganz im Gegenteil: Die USA haben mehrfach betont, dass sie es ablehnen. Das Vorsorgeprinzip ist ein unverrückbarer Grundpfeiler des Verbraucher*innenschutzes in der EU. Es darf nicht als angebliches Handelshemmnis deklariert und ausgehöhlt werden, sondern muss im Gegenteil zum Schutz der Verbraucher*nnen gestärkt werden. Verbraucherschutz ist kein Handelshemmnis, sondern ein elementarer Baustein unseres staatlichen Gemeinwesens. TTIP darf aus unserer Sicht weder dazu führen, dass bestehende Verbraucherschutzstandards gesenkt werden, noch, dass künftig die Setzung höherer Standards erschwert wird.

TTIP wird gravierende Auswirkungen auf Landwirtschaft und Ernährung haben. Gerade für die bayerische Landwirtschaft würde ein Abbau der sogenannten Handelshemmnisse für landwirtschaftliche Produkte eine rapide Beschleunigung des Strukturwandels bedeuten, die kleinen und mittelständischen landwirtschaftlichen Betriebe hätten kaum Überlebenschancen. Wir bayerische Grüne sagen ganz klar: Die hohen europäischen Qualitäts- und Sicherheitsstandards in der gesamten Lebensmittelkette dürfen nicht angetastet werden. Dazu gehören insbesondere das Pflanzenschutzmittelrecht, die Futtermittelstandards, Tierschutz und Tierarzneimittelregeln, die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung sowie die Veterinärkontrolle. Die europäischen Regeln für Zulassung und Einfuhr gentechnisch veränderter Organismen, das Anwendungsverbot von Hormonen zu Mastzwecken, die Kennzeichnungspflicht im Lebens- und Futtermittelbereich müssen ohne Abstriche dauerhaft erhalten bleiben und im Sinne der Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher weiterentwickelt werden können. Die Aufhebung der Nulltoleranz bei der Verunreinigung von Lebensmitteln und Saatgut mit in Europa nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) werden wir nicht hinnehmen.

Gefahren für die kommunale Daseinsvorsorge

Wir Grünen wollen die Kommunen in ihrer Handlungsfähigkeit stärken. Für uns ist Subsidiarität ein wichtiges Prinzip: Das, was vor Ort geregelt werden kann, soll auch vor Ort geregelt werden.

Mit den geplanten Handelsabkommen droht die kommunale Handlungsfähigkeit massiv eingeschränkt zu werden. Mit dem in diesen Abkommen enthaltenem Dogma der „Marktöffnung“ und dem Instrument der Regulatorischen Kooperation gerät die öffentliche Daseinsvorsorge langfristig in Gefahr. Die Beteuerungen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die Daseinsvorsorge sei sicher, sind für uns nicht glaubhaft. Schon in CETA ist keine generelle Ausnahme für die kommunale Daseinsvorsorge formuliert. TTIP und TISA werden voraussichtlich mit den gleichen Instrumenten arbeiten. Damit wird ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit bei der Regulierung von öffentlichen Dienstleistungen erzeugt. Die Aussicht auf millionenschwere Entschädigungsklagen vor Schiedsgerichten würde die kommunale Handlungsfreiheit ganz erheblich lähmen. Dies erhöht den Druck, öffentliche Dienstleistungen in private Hände zu geben. Viele Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte in Bayern – sehr oft auf Initiative Grüner Rät*innen – haben bereits Beschlüsse hinsichtlich der geplanten Abkommen gefasst. In diesen Beschlüssen haben sie ihre berechtigte Sorge um die Auswirkungen der Abkommen zum Ausdruck gebracht.

Kulturelle Vielfalt schützen 

Kulturelle Vielfalt gehört zur Grundlage einer demokratischen Gesellschaft und ist ein wichtiges Fundament für Bildung, Entwicklung und Partizipation. Deutschland und die EU haben sich durch die Unterzeichnung der UNESCO- Konvention ‚Kulturelle Vielfalt‘ dem Schutz und der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen verpflichtet. TTIP bedroht diese kulturelle Vielfalt. Es droht eine kulturelle Verödung in Deutschland und ganz Europa. Vorhandene nationale Kulturförderinstrumente und deren Entwicklung stehen auf dem Spiel.

Widerstand ernst nehmen – bessere Handelspolitik möglich machen

Wir GRÜNE befürworten einen freien und fairen Welthandel, der demokratisch kontrolliert ist und ökologischen, sozialen und klimapolitischen Zielen nicht entgegenwirkt. Bisher ist nicht erkennbar, dass es bei TTIP um bessere, höhere Standards gehen soll. Je mehr über die Inhalte bekannt wird, desto mehr zeigt sich, dass viel von der bereits formulierten Kritik berechtigt ist. Wir Grüne beobachten diese Entwicklung mit großer Sorge und lehnen es ab, die Verhandlungen wie bisher fortzusetzen.

Ein neues Verhandlungsmandat darf nur erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Verhandlungen künftig transparent geführt werden, ausreichende Mitwirkungsmöglichkeiten und Kontrollrechte zivilgesellschaftlicher Organisationen, des EU-Parlaments und der nationalen Parlamente gegeben sind, der Einfluss nicht demokratisch legitimierter Lobbyisten auf ein angemessenes Maß reduziert ist und die Kündigung der Verträge ermöglicht wird.  Die Vertragstexte sind unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen zu veröffentlichen.

Wir werden uns weiterhin gegen diese Handelsabkommen stark machen. Die Proteste dagegen werden immer lauter, haben inzwischen viele Länder innerhalb der EU erreicht und vor allem verschiedenste Bereiche der Gesellschaft erfasst. Von Gewerkschaften über Umweltverbände, von Kunstschaffenden über kommunale Vertreter*innen, von Mittelständlern und Landwirten bis hin zu Datenschützer*innen. Die selbstorganisierte europäische Bürgerinitiative hat europaweit über 2,5 Millionen Unterschriften gegen TTIP gesammelt und das nötige Quorum in zwölf Mitgliedsstaaten der EU erreicht. Sie wird von über 380 Organisationen aus ganz Europa getragen und ist Sinnbild für die Vielfalt und Stärke des Protests. Bisher weigert sich die EU-Kommission allerdings, die Initiative anzuerkennen.

Wir werden nicht zulassen, dass unsere Demokratie internationalen Handelsabkommen geopfert wird. Ein Handelsabkommen, das nur den Interessen multinationaler Konzerne dient und massiv in die Souveränität der Staaten eingreift, darf es nicht geben. Mit der Kraft einer starken Bürgergesellschaft haben wir die Chance TTIP, CETA und TISA zu stoppen.

 

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