Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz 2017 in Deggendorf
Wir stehen vor immensen Anstrengungen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Dazu müssen wir dringend die Verkehrswende hin zu einer klimafreundlichen Mobilität einleiten. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssen Industriestaaten wie Deutschland die Treibhausgas-Emissionen um mindestens 80 bis 95 % gegenüber 1990 senken. Doch der Verkehr fährt beim Klimaschutz hinterher. Die CO2-Emissionen liegen im Verkehrssektor heute sogar über dem Niveau von 1990. Fast 40 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen stammen in Bayern aus dem Verkehrsbereich. Damit ist klar: Der Verkehr braucht dringend eine neue Richtung.
Verbrennungsmotoren verursachen aber nicht nur den Klimakiller CO2, sondern sie stoßen auch für den Menschen giftige Abgase aus – gefährliche Stickoxide In vielen deutschen Städten ist die Luft stark mit gesundheitsschädlichem Stickoxid (NOx) belastet, 67 % dieser Emissionen werden dabei von Diesel-PKWs verursacht. In Bayern betrifft das ganz besonders die Stadt München, aber auch Nürnberg, Augsburg, Würzburg und Regensburg liegen über den zulässigen Schadstoffgrenzwerten. Damit verstoßen Bayern und Deutschland seit Jahren gegen europäisches Recht. Die Bundesregierung hat dafür zu sorgen, dass die Grenzwerte für Stickoxide eingehalten werden. Nur so können europäisches Recht eingehalten und gerichtlich verordnete Fahrverbote noch abgewendet werden.
Gesundheit schützen – Blaue Plakette einführen
Ein Großteil der innerstädtischen Stickoxidemissionen stammt aus den Dieselabgasen, die nicht den Herstellerangaben entsprechen, sondern durch illegale Abschalteinrichtungen und vorsätzlichen Betrug die Luft in unseren Städten belasten. Die gesundheitliche Beeinträchtigung von vielen Menschen ist damit billigend in Kauf genommen worden. Doch die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger muss über den Geschäftsinteressen der Automobilhersteller stehen.
Die von der Automobilindustrie angebotenen Softwareupdates reichen bei Weitem nicht aus. Die nächste Bundesregierung muss deshalb die Einführung der Blauen Plakette ermöglichen. Denn die Städte brauchen ein wirksames und bundesweit einheitliches Instrument, um den Straßenverkehr zum Schutze der Gesundheit zu regulieren und generelle Fahrverbote zu vermeiden.
Dieselskandal schonungslos aufklären
Die für den Dieselskandal Verantwortlichen in den Konzernspitzen müssen zur Verantwortung gezogen werden. Wir GRÜNE werden uns nicht damit abfinden, dass Abgasvorschriften für Pkw nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Sowohl die schon im Betrieb befindlichen als auch entsprechende Neufahrzeuge müssen die Grenzwerte auf der Straße einhalten. Die Autoindustrie muss auf ihre Kosten Fahrzeuge wirkungsvoll nachrüsten. Da das Kraftfahrtbundesamt als Kontrollorgan versagt hat, fordern wir eine unabhängige Institution, die in das Umweltbundesamt integriert ist und mit wirksamen Kontrollen auch für die Einhaltung der Grenzwerte auf der Straße garantiert.
Der Dieselskandal offenbart, wie die Bundesregierung, allen voran CSU- Bundesverkehrsminister Dobrindt über Jahre die Manipulationen in der Automobilindustrie mitgetragen haben. Auf fahrlässige Weise hat der Bund die gesundheitlichen Gefahren, die von Diesel-Verbrennungsmotoren im Straßenverkehr ausgehen verharmlost und die Kommunen im Stich gelassen. Das CSU geführte Bundesverkehrsministerium hat den Betrug der Autokonzerne an Umwelt und Verbraucher*innen gedeckt und vertuscht. Die politische Verantwortung dafür muss der Bundestag in der kommenden Legislaturperiode schonungslos aufklären. Die Politik darf das Geschehene nicht einfach so unter den Teppich kehren.
Der Staat muss durch neue Rechtsschutzmöglichkeiten gewährleisten, dass die von den Abgasmanipulationen betroffenen Autokäufer*innen ihr Recht auf Schadensersatz zusammen durchzusetzen können. Gruppenklagen müssen daher angesichts der drohenden Verjährung umgehend zugelassen werden.
Verantwortung für Klima und Automobilstandort
Wir GRÜNE tragen Verantwortung für den Klimaschutz und die Arbeitsplätze am Automobilstandort Bayern. Auch bei der Realisierung der von uns geforderten Verkehrswende wird das Auto ein wichtiges Fortbewegungsmittel bleiben, gerade im ländlichen Raum. Das bisherige Geschäftsmodell der Deutschen und Bayerischen Automobilindustrie – der Verkauf von Fahrzeugen mit fossil betriebenem Verbrennungsmotor – steht auf wackeligen Füßen. In Europa werden von Norwegen über die Niederlande und Großbritannien bis Österreich gesetzliche Auslaufdaten für Verbrennungsmotoren diskutiert. In Norwegen liegt der Marktanteil von Elektroautos schon heute bei 23 Prozent. Bei der Herstellung von Elektromobilfahrzeugen und Batterien verfügen China, Japan und die USA bereits über einen großen Vorsprung. Die Automobilindustrie und der Verbrennungsmotor hat Arbeitsplätze und Wohlstand für Bayern gebracht, doch wer die Zeichen der Zeit nicht richtig erkennt und handelt, der setzt diese in der Zukunft aufs Spiel. Wir wollen verhindern, dass Ingolstadt oder Dingolfing das „Detroit von morgen“ werden. Noch können wir Vorreiter für die ökologische Modernisierung werden. Deshalb wollen wir jetzt der Automobilindustrie klare Rahmenbedingungen aufzeigen. Ab 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos neu zugelassen werden. Das Zeitalter der fossilen Verbrennungsmotoren ist dann zu Ende. Das ist gut für unser Klima und rettet die deutsche Autoindustrie.
Wir wollen Kaufanreize schaffen, die für die öffentliche Hand aufkommensneutral sind. Deswegen fordern wir, die Kfz-Steuer in Deutschland in eine Kfz-Zulassungssteuer nach Norwegischen Vorbild umzuwandeln. Die Höhe der Steuer soll nach CO2, NOx, Feinstaub- und Lärmimmission gestaffelt werden. Abgasfreie Fahrzeuge wollen wir dabei von der Steuer befreien.
Vom Verbrennungsmotor zur umweltfreundlichen Mobilität
Wir wollen eine vorausschauende Konversionspolitik betreiben, um im Zuge des Wegfalls des Verbrennungsmotors sowohl Arbeitsplätze als auch Unternehmen in der Automobilindustrie langfristig zu erhalten. Wir setzen uns dafür ein, dass Leitlinien für eine Forschungs- und Technologiepolitik „Green Emobility“ formuliert werden, mit dem Ziel, Programme zur Erforschung von Batterien, die mit fairen Materialien hergestellt werden, zur Haltbarkeit von Batterien und zum Recycling von Batterien aufzulegen. Es gilt, eine „Kreislaufwirtschaft Batterietechnologie“ zu schaffen und die Wertschöpfungskette in Bayern zu sichern. Außerdem können wir uns in Anbetracht vielfältiger Anforderungen auf dem Mobilitätssektor nicht nur auf die Batterietechnologie beschränken, sondern müssen z.B. auch die Forschung der wasserstoffbasierten Technologie in Kombination mit Brennstoffzellen fördern.
Saubere Luft in lebenswerten Städten
Nicht alle Verkehrsprobleme der Großstädte lassen sich allein unter der Motorhaube lösen. Neue Umgehungsstraßen werden nicht besser, wenn zukünftig Elektroautos darüber rauschen. Die Staus auf hoch belasteten Einfallsstraßen lösen sich durch Elektroautos nicht in Luft auf und in unseren eng bebauten Städten nehmen die parkenden Autos viel zu viel des knappen öffentlichen Raums in Anspruch. Gerade die Menschen in den Städten leiden unter den negativen Folgen des Autoverkehrs. In urbanen Gebieten lässt sich Mobilität auch jenseits vom eigenen Auto intelligent und effektiv organisieren.
Der beim Dieselgipfel vereinbarte Fonds von einer Milliarde Euro für die besonders von Luftverschmutzung belasteten Städte reicht nicht aus. Einmalige Geldspritzen lösen die Probleme der Städte nicht. Was wir brauchen, sind verbindliche Maßnahmen für klimafreundliche Mobilität und saubere Luft in den Städten. Wir wollen eine Investitionsoffensive in klimafreundliche Mobilität starten mit dem „Zukunftsprogramm Nahverkehr“: Eine Milliarde Euro jährlich für den Ausbau des Nahverkehrs.
Wir Grüne stehen für eine Mobilitätspolitik, die weniger auf das Auto fixiert ist, und die umweltfreundlichen Alternativen von Bus und Bahn sowie des Rad- und Fußverkehrs stärkt. Denn Elektrobusse, weniger Staus und mehr Radfahrer*innen machen die Stadtluft sauberer. Dafür braucht es ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen – einen Aktionsplan Saubere Luft.
Wir fordern vom Bund:
- die Einführung der Blauen Plakette zum Schutz unserer Gesundheit
- jährlich eine Milliarde Euro für den Ausbau des Nahverkehrs
- die Abschaffung des „Diesel-Privilegs“. Mit den steuerlichen Mehreinnahmen soll ein Programm finanziert werden:
– für die Umstellung unserer Busse auf emissionsfreie Bussysteme und die kurzfristige Nachrüstung mit Stickstoffdioxid-Filteranlagen
– für die Umstellung der städtischen Fuhrparks auf emissionsfreie Fahrzeuge
– zum Aufbau einer vernünftigen Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum
– zum Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur
Vom Freistaat Bayern fordern wir:
- eine deutliche Erhöhung der ÖPNV-Zuweisungen, damit Kommunen das ÖPNV- Angebot vor allem durch zusätzliche Buslinien schnell und deutlich verbessern können
- ein ambitioniertes Förderprogramm für den Radverkehr
- die Finanzierung von Radschnellwegen durch den Freistaat und
- die Realisierung eines Radschnellwegesystems in den Ballungsräumen München und Nürnberg in den nächsten fünf Jahren
- deutlich mehr Gestaltungsspielraum für die Kommunen beim Parkplatzmanagement.
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