Wirksame Barrierefreiheit in Bayern
In Bayern wurde zuletzt viel von Barrierefreiheit geredet. Es fehlt jedoch an Taten, Bayern tatsächlich umfassend und wirkungsvoll barrierefrei zu machen. Trotz Seehofers Regierungserklärung von 2013 Bayern bis 2023 barrierefrei umzugestalten ist bisher viel zu wenig passiert. Den öffentlichen Verkehr und den gesamten öffentlichen Raum barrierefrei zu machen, ist jedoch eine große gesellschaftliche Aufgabe, die einen klaren Plan und klare Verteilung von Verantwortlichkeiten benötigt, wenn es gelingen soll. Es wird also weitaus mehr nötig sein als ein begrenztes Programm mit viel zu engem Finanzrahmen. Dazu gehört neben der Verteilung staatlicher Verantwortung auf Landesebene und kommunaler Ebene neben der Partizipation von Menschen mit Behinderungen die Einbindung von Akteur*innen im öffentlichen Raum, wie z.B. von Kammern und Verbänden oder großen Firmen.
Für uns Grüne ist klar: für Menschen mit Beeinträchtigungen ist Barrierefreiheit notwendig, um am Leben in der Gesellschaft teilnehmen zu können. Denn laut der UN Behindertenrechts-konvention ergibt sich Behinderung aus einer Wechselwirkung zwischen Umwelteinflüssen und einer Beeinträchtigung. Wirksame Barrierefreiheit führt zu Inklusion und ist somit eine Grundlage für gesellschaftlichen Fortschritt.
Gesamtkonzept vorlegen
Wem es ernst ist, Bayern umfassend barrierefrei zu machen, der kommt um einen Gesamtplan nicht herum. Ein Gesamtkonzept muss alle Bereiche des öffentlichen Lebens umfassen, und nicht nur den ÖPNV und staatliche Gebäude. Die Grüne Landtagsfraktion hat deshalb in ihrem Antragspaket zu „Bayern barrierefrei 2023“ am 9.6.2015 ein ressortübergreifendes Gesamtkonzept zur Umsetzung des Sonderinvestitionsprogramms gefordert. Ein solches Gesamtkonzept muss auf Grundlage einer Bestandsaufnahme einen Maßnahmenkatalog entwickeln, der dann abzuarbeiten ist. Für die einzelnen Maßnahmen sind zeitliche Vorgaben festzulegen sowie die Verantwortung für die Umsetzung. Bei der Erstellung des Gesamtkonzepts sind Menschen mit Behinderungen, Sozial- und Behindertenverbände sowie weitere maßgebliche Akteur*innen zu beteiligen. Im Landeshaushalt sind frühzeitig zusätzliche Mittel bereitzustellen. Zu einer umfassenden und wirksamen Barrierefreiheit, wie sie im Artikel 4 des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes (BayBGG) grundgelegt ist, gehören barrierefreie Zugänglichkeit zu Gebäuden und deren allgemeine Nutzbarkeit, barrierefreie Mobilität, Busse und Bahnen, das Zweisinneprinzip, Gebärdensprach- und Schriftdolmetschungen, verständliche und leichte Sprache, barrierefreie Medienangebote und barrierefreies Internet und Intranet.
Gesetze und Verordnungen überprüfen und anpassen
Das bayerische Gleichstellungsgesetz (BayBGG) ist inzwischen bereits 12 Jahre alt. Die dort getroffenen Regelungen gehören insgesamt auf den Prüfstand und müssen an die UN Behinderten-rechtskonvention angepasst werden – Es gehört dringend vor dem Ziel „Bayern barrierefrei 2023“ novelliert. Dies beinhaltet die Regelungen zur Barrierefreiheit in den betroffenen Gesetzen, die entsprechend verbessert und ergänzt werden müssen. Die bayerische Bauordnung sieht zwar Regelungen insbesondere für Neubauten vor, für den Bestand ist die gesetzliche Grundlage jedoch viel zu schwach. Es bedarf einer Frist zur Herstellung der Barrierefreiheit aller öffentlich zugängigen Gebäude. Ergänzende Regelungen müssen zum Thema Leichte Sprache geschaffen werden. Barrierefreiheit muss als Pflichtinhalt in Lehrpläne für Architektur und Bauingenieure sowie in die Ausbildung von Handwerker*innen aufgenommen werden. Wir Grüne fordern zudem ein Teilhabegesetz auf Bundesebene, das behinderte Menschen aus der Sozialhilfe herausnimmt und mehr soziale Mobilität ermöglicht.
Bayerisches Kompetenzzentrum Barrierefreiheit einrichten
Zum Zwecke einer breit angelegten fachlichen Beratung ist die Einrichtung eines Bayerischen Kompetenzzentrums Barrierefreiheit zielführend. Es soll als landesweite Fachstelle die staatlichen und kommunalen Verwaltungen, Verkehrsunternehmen, Wohnungsbaugesellschaften, öffentliche und private Bauträger, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Gesundheits- und Pflegeinstitutionen, Wohlfahrtsverbände und Sportvereine, Arbeitgeber*innen und Ausbildungsträger, Medien sowie Informations- und Kommunikationsdienstleister bei der Umsetzung von Barrierefreiheit beraten und unterstützen. Das Kompetenzzentrum betreibt zudem eine aktive Informations- und Aufklärungsarbeit. An der Trägerschaft müssen Organisationen behinderter und psychisch kranker Menschen als Expert*innen in eigener Sache beteiligt werden.
Verkehre flächendeckend barrierefrei ausbauen
Fehlende Mobilität ist eines der bedeutsamsten Hindernisse für Inklusion im Alltag. In den letzten Jahren wurde begonnen die Verkehre barrierefrei auszubauen: bei der Bundesbahn, im ÖPNV, im Fußgängerverkehr, bei Bahnbetreibern. Es gibt aber immer noch große Defizite: Viele bayerische Bahnhöfe und Bahnhaltepunkte sind immer noch nicht barrierefrei saniert. An vielen Regionalbahnhöfen gibt es kein Personal mehr, obwohl noch viele Regionalzüge nicht über barrierefreie Einstiege verfügen. Es sind noch relativ viele nicht barrierefreie U-Bahnzüge und Straßenbahnen im Einsatz. Viele Bushaltestellen sind noch nicht barrierefrei ausgebaut insbesondere im ländlichen Bereich. Informationen und Fahrpläne sind oft nicht barrierefrei zugänglich.
In Nahverkehrsplänen muss deutlich konkreter festgelegt werden, als dies bisher üblich ist, wie der barrierefreie Ausbau des ÖPNV vorangetrieben wird. Es muss jeweils festgelegt werden, wie gemäß EU-Verordnung und dem 2013 novellierten Personenbeförderungs-gesetz bis zum Jahr 2022 vollständige Barrierefreiheit erreicht werden soll. Dabei sind die Behindertenbeauftragten und Verbände zu beteiligen.
Barrierefreiheit finanzieren
Alle laufenden staatlichen Förderprogramme sollen daraufhin überprüft werden, ob Barrierefreiheit berücksichtigt wird, wie dies die Grüne Landtagsfraktion beantragt hat. Wenn dies nicht der Fall ist, sollen Förderungen gekürzt oder gestrichen werden können, z.B. bei der Städtebauförderung. Bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel muss Barrierefreiheit also ein scharfes Kriterium sein.
Wir Grünen fordern eine grundsätzliche Aufstockung aller Mittel, die direkt der Barrierefreiheit zugutekommen, besonders in den Bereichen, in denen der Bedarf besonders groß ist, z.B. bei der Förderung im Bildungsbereich oder im ÖPNV.
Im Verkehr ist die Bahn und als ihr alleiniger Gesellschafter der Bund gefordert, aber zusammen mit den Kommunen steht auch die Landesebene in der Verantwortung. Das Grundbedürfnis Mobilität darf nicht von der jeweiligen Liquidität einer Kommune abhängen. Wir wollen, dass zusätzliche Programme aufgelegt werden bzw. bestehende aufgestockt werden, um einerseits die Bahn in Bayern samt ihrer Bahnhöfe und Fahrzeuge barrierefrei zu sanieren und andererseits die Kommunen in die Lage zu versetzen ihren ÖPNV mittelfristig barrierefrei zu sanieren.
Wir wollen die Kommunen nicht aus ihren ureigenen Verpflichtungen entlassen. Die chronische Unterfinanzierung der Kommunen rechtfertigt es aber, sie bei ihren Aufgaben generell zu entlasten. Die bayerischen Grünen fordern deshalb schon lange den kommunalen Finanzausgleich am Bedarf neu auszurichten. Alleine die barrierefreie und energetische Sanierung der Schulen, für die Kommunen als Sachaufwandsträger zuständig sind, erfordern eine deutliche Anhebung des kommunalen Finanzausgleichs.
Öffentlichkeitskampagne starten
BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN versteht ein „Bayern barrierefrei 2023“ als komplexe gesellschaftliche Aufgabe, und nicht nur als ein begrenztes Programm, das immer kürzer tritt, wie offensichtlich Seehofer samt seiner Staatsregierung. Deshalb fordern wir eine umfassende Information- und Aufklärungskampagne, die zur Bewusstseinsbildung dienen soll, aber auch alle gesellschaft-lichen Akteure einbezieht. Dafür ist ein zentrales Online-Informationsportal aufzubauen mit allen wichtigen Infos auf Landesebene und Links für die Kommunen. Eine solche Kampagne könnte zudem einen Wettstreit zwischen den Kommunen um vorbildhafte Barrierefreiheit auslösen. Wirksame Barrierefreiheit soll so zu einem Qualitätskriterium unserer bayerischen Städte und Gemeinden werden.
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