Essen berührt Gesellschaft, Gesundheit, Kultur, Wirtschaft und Umwelt. In der Verbindung von Ernährung und Landwirtschaft werden die Auswirkungen unseres Lebensstils – regional und weltweit – auf Boden, Wasser, Klima, natürliche Vielfalt und Landschaft sichtbar.
Ernährung und Gesellschaft
Immer mehr Menschen achten auf Ursprung, Erzeugung und Verarbeitung der Lebensmittel und entwickeln eine Ernährungskultur, die Genuss und gutes Gewissen miteinander verbindet. Eine wachsende Sehnsucht nach einwandfreiem Essen spiegelt sich in den verschiedenen Ernährungsstilen wider. Durch den Ausschluss von tierischen oder konventionellen Produkten versuchen die Menschen Transparenz und Sicherheit zu erhalten, die ihnen die Politik verweigert. Dank der Bio-Zertifikate sind zumindest in dem Bereich des ökologischen Landbaus die Verbraucher*innen befähigt, selbstbestimmt ihre Lebensmittel auszuwählen. In Bezug auf eine verlässliche Kennzeichnung der Art der Tierhaltung, gentechnisch veränderter Futtermittel oder vegetarischer und veganer Kost besteht noch großer Handlungsbedarf.
Die Politik muss bewusste Konsumentscheidungen ermöglichen und gegen Verbrauchertäuschung entschieden vorgehen.
Grüne Forderungen:
- Einführung einer transparenten Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch nach dem Vorbild der Kennzeichnung von Frischeiern – Konsument*innen müssen auf einen Blick erkennen können, wie die Tiere gehalten wurden;
- zeitnahe Definition der Begriffe „vegan“ und „vegetarisch“ entsprechend der Vorgaben der EU-Lebensmittelinformationsverordnung, gefolgt von verlässlichen Kennzeichnungsregelungen;
- eine Gesetzesänderung zum Verbraucherinformationsgesetz, die einen gesetzlichen Informationsanspruch der Verbraucher*innen gegenüber Unternehmen festlegt und Transparenz insbesondere hinsichtlich Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und besonders ausgelobter Eigenschaften der Lebensmittel schafft;
- wirkungsvolle Regelungen, die verbrauchertäuschende Werbung und Produktaufmachung, beispielsweise hinsichtlich der enthaltenen Zutaten oder hinsichtlich umwelt- oder tiergerechter Produktion unterbinden;
- Anhebung der rechtlichen Mindestkriterien der Lebensmittelerzeugung bezüglich der verlässlichen Einhaltung von Tierwohl, Natur- und Umweltschutz, sowie Klimaverträglichkeit der Produkte;
- dass tierische landwirtschaftliche Produkte, wie Milch, Fleisch, Eier etc., von Tieren, die mitgentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel unterliegen und entsprechend gekennzeichnet werden müssen
Ernährung und Gesunheit
Die unbegrenzte Verfügbarkeit von Lebensmitteln hierzulande assoziieren wir nach wie vor mit Wohlstand. Der Wunsch nach einer unreflektierten, paradiesischen Versorgung ist ein fester und unbewusster Bestandteil unserer Gewohnheitsbildungen. Lebensmittelallergien und -unverträglichkeiten, sowie Lebensmittelskandale wirken als Störgrößen für diese „paradiesische“ Ernährungsweise: Verbraucher*innen fühlen sich gezwungen die Selbstverständlichkeit unbegrenzt verfügbarer Lebensmittel aufzugeben, um ihre Gesundheit[1] wiederherzustellen.“
Weltweit sind mehr als ein Drittel aller Erwachsenen übergewichtig, davon 500 Millionen adipös, Tendenz steigend. Schuleingangsuntersuchungen in Bayern haben gezeigt, dass bereits 8,8 Prozent der Vorschulkinder übergewichtig und 3,4 Prozent adipös sind.[2] Übergewicht gilt als wichtigste Ursache für Diabetes, Bluthochdruck, Schlaganfälle und bestimmte Krebsarten.
Ernährungsbedingte Krankheiten und Beeinträchtigungen betreffen die Hälfte der Weltbevölkerung und haben neben falscher Ernährung eine weitere gemeinsame Ursache: Die Entkoppelung, Trennung und Entfremdung von Lebensmittelerzeugung und Verbrauch.[3]
In Bayern setzen sich längst die industrielle Massentierhaltung und die industrielle Landwirtschaft mit all ihren negativen Begleiterscheinungen durch. Gentechnisch verändertes Tierfutter, glyphosatbelastete Lebens- und Futtermittel und großzügiger Antibiotikaeinsatz sind Alltag. Großer Klärungsbedarf besteht darin, inwieweit die chemiebasierte Weiterverarbeitung der Lebensmittel für Allergien und Unverträglichkeiten verantwortlich ist.
Auch die Gesundheit der Erzeuger*innen ist gefährdet: Das „immer mehr, immer schneller, immer billiger“ führt bei Bauern und Bäuerinnen zu körperlicher und seelischer Erschöpfung. Finanzielle Belastungen und eine undifferenziert kritische Öffentlichkeit erzeugen eine ungesunde Lebens- und Arbeitssituation.
Wir kämpfen für eine Landwirtschaft, die die Gesundheit des Menschen als Maßstab hat, für einen respektvollen und fairen Umgang mit den Tieren in der Landwirtschaft und ein nachhaltiges Wirtschaften zum Schutz der Umwelt.
Grüne Forderungen:
- die Qualitätsoffensive Kitaverpflegung und Schulverpflegung im Bayerischen Präventionsplan so gestalten, dass zusammen mit Kommunen und Schulträgern die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung[4] in den Alltag der Kita- und Schulverpflegung integriert werden können;
- Entwicklung von möglichst regionalen und ökologischen Versorgungsketten für Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Heime und andere Betreuungseinrichtung; zusätzlich dieses Ziel als Förderschwerpunkt in den nationalen Finanzinstrumenten der EU-Agrarförderung festlegen;
- Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung deutlich verringern;
- Alternativen zu und Reduktionsmöglichkeiten von chemischen Pflanzenschutzmitteln als zentraler Punkt in der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Ausbildung und Beratung;
- deutliche Erhöhung der Forschungsgelder für Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz;
- Verzicht auf die Anwendung von Pestiziden auf ökologischen Vorrangflächen, die als Greeningflächen anerkannt sind;
- Verlässliche Fortführung der Förderprogramme im bayerischen Kulturlandschaftsprogram, die den Trinkwasserschutz sichern;
- Behebung der Missstände und Schwachstellen in der Lebensmittelkontrolle in Bayern;
- keine Ausnahmegenehmigungen für den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln, sowie Verbot von leichtflüchtigen Pestiziden, die über weite Strecken verfrachtet werden können
Ernährung und Kultur
Kinder brauchen gesundes Essen. Eine frühkindliche Prägung auf eine selbstverständlich gesunde und nachhaltige Ernährung in Kitas und Schulen wirkt sich lebenslang auf Essgewohnheiten und den Umgang mit Lebensmitteln aus. Esssituationen, die Freude und Genuss innerhalb einer Gemeinschaft vermitteln, stärken eine verantwortungsvolle positive Esskultur. Angesichts der enormen Lebensmittelverschwendung, der ungeheuren Überproduktion hierzulande und dem gleichzeitigen Raubbau anderswo ist eine frühzeitige Ernährungs-Bildung eine Chance, die Lebensgrundlagen unseres Planeten auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Wenn Biokomponenten oder fleischfreie Gerichte in Kantinen und Mensen selbstverständlicher Alltag werden fällt es leichter, sich zugunsten von Umwelt, Chancengleichheit und Gesundheit zu verhalten. Auch die vermeintliche Teuerung durch ökologische Lebensmittel gleicht sich aus, da die Gemeinschaft über Steuern, Krankenkassenbeiträge oder Wasserpfennig die verdeckten Kosten von Umwelt-, Gesundheitsschäden oder Wasseraufbereitung bezahlt, die durch die billigen Nahrungsmittel entstehen.
Grüne Forderungen
- klares Bekenntnis der bayerischen Regierung zu regional und ökologisch hergestellten Lebensmitteln in öffentlichen Kantinen, bei Staatsempfängen und Festakten, inklusive Kriterien, die Lebensmittelverlusten entgegenwirken;
- 20 % Bio in öffentlichen Kantinen bis 2020;
- Eindämmung der Lebensmittelverschwendung mit verbindlichen Reduktionszielen entlang der Wertschöpfungsketten;
- fächerübergreifende Gesundheits- und Ernährungsbildung an allen Schulen in Bayern;
- flächendeckende Einrichtung und Unterstützung von gemeinschaftlichen Gärten, Schulgärten und interkulturellen Gärten
Ernärhung und Landwirtschaft
Die bisherige Politik des „Wachse oder Weiche“ im Angesicht der Globalisierung bietet für die meisten bayerischen Bäuerinnen und Bauern keine Zukunftsperspektive. Der internationale Agrarhandel und die Agroindustrie zwingen Bäuerinnen und Bauern in eine abhängige Lebensmittelproduktion. Warenbörsen und Spotmärkte gehorchen nur den Spielregeln eines anonymen Marktes; die rein mengengesteuerten Weltmarktpreise ermöglichen keine gute bäuerliche Existenz, die auf den fairen Umgang mit Tieren, auf sauberes Wasser und gesunde Lebensmittel achtet. Auch viele Verarbeitungs- und Handelsbetriebe können bei sinkenden Verbraucherpreisen nicht mehr kostendeckend arbeiten, Handwerksbetriebe geben auf und die Konzentrationsprozesse im Lebensmitteleinzelhandel verschärfen sich. Wir verlieren handwerkliche Fähigkeiten und bäuerliche Erfahrungen. Biopatente und Rechte an Saatgut schränken Selbstbestimmung und Wahlfreiheit ein. Mit dem Verlust der Vielfalt an Nahrungsmitteln verschwindet auch das Wissen von deren Erzeugung, Lagerung und Verwendung – wir verlieren unsere Koch- und Esskultur.
Wir brauchen regionale Handelspartnerschaften zur Stärkung von Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften statt TTIP. Welcher positive Strukturwandel wäre möglich, wenn Verbände und Vermarktungsgesellschaften gemeinsam an einer wirklichen Stärkung des ländlichen Raumes arbeiten würden: einen ländlichen Raum, der Bäuerinnen und Bauern eine auskömmliche Existenz sichert, in dem gute und gesunde Lebensmittel für uns alle hergestellt werden. Lebensmittel, deren hohe Standards wertvolle Arbeitsplätze sichern; einen ländlichen Raum mit einer hohen Aufenthaltsqualität für Mensch und Tier, für Erholung, Tourismus und das gute Leben auf dem Land.
Grüne Forderungen für den Ökolandbau:
- Wir wollen den Biolandbau in Bayern substanziell stärken und deutliche Anreize für eine Umstellung geben. Unser Ziel ist 20% Ökolandbau in Bayern bis 2020.Dazu sind insbesondere:
- die Förderprogramme so auszugestalten, dass ausreichend Anreize für die Beibehaltung und Umstellung für den ökologischen Landbau entstehen;
- der Aufbau von ökologischen Verarbeitungs- und Vermarktungsketten zu unterstützen;
- in staatlichen Institutionen mehr heimische Biolebensmittel einzusetzen;
- die Beratung auszuweiten und bei Rückumstellern die Ursachen erheben;
- ökologische Pflanzenzucht und Erhaltungszucht-Initiativen zu unterstützen;
- den Erhalt einer breiten Vielfalt von Obst- und Gemüsepflanzen zu gewährleisten;
- Aufstockung der Forschungsgelder für den Öko-Landbau;
- Grüne Forderungen zur Tierhaltung:
- Erstellung eines einen bayerischen Tierschutzplans;
- eine Landwirtschaft, die das Wohl der Tiere im Auge hat und in der Käfige, geringes Platzangebot, Bewegungsmangel und Amputationen keinen Platz haben;
- Förderung regionaler Strukturen, die tiergerecht und umweltschonend sind und keine Exportorientierung und Orientierung an den Billigpreisen des Weltmarktes;
- stärkere Förderung einheimischer, gentechnikfreier Futtermittel;
- Tier-Bestandgrößen, die an die verfügbare landwirtschaftliche Fläche angepasst sind und dadurch auch eine Belastung des Wassers mit Nitrat vermindern;
- Haltungsbedingung von Tieren so verbessern, dass nur in Ausnahmefällen und zur Einzeltierbehandlung Antibiotika eingesetzt werden müssen;
- eine Tierzucht, die vor allem dem Wohl der Tiere und nicht nur dem Produktionsgedanken dient;
- den Zuchtzielen Raufutterverwertung und Tiergesundheit bei Milchkühen einen höheren Stellenwert als dem Zuchtziel Milchleistung einräumen;
- alle die Milchwirtschaft betreffenden staatlichen Agrarförderprogramme darauf prüfen, ob sie dazu beitragen, die Milchmenge zu erhöhen, zu senken oder ob sie neutral sind. Fördermaßnahmen, die die Milchmenge erhöhen (z.B. Erweiterung von Milchviehställen im Rahmen der einzelbetrieblichen Investitionsförderung) sollen ausgesetzt und so umgebaut werden, dass sie zumindest bzgl. der Milchmenge neutral sind;
- Ausbau von Fördermaßnahmen, die geeignet sind, die Milchmenge zu reduzieren und diesbezüglich die Fördermittel erhöhen (z.B. Weideprämie, Mutterkuhhaltung, ökologische Landwirtschaft);
- Diversifizierung und Extensivierung als von der landwirtschaftlichen Beratung vorgeschlagene Maßnahmen um den Milchmarkt zu entlasten
Ernährung und Umwelt
Unser Ernährungsstil, die Lebensmittelproduktion und –bereitstellung, insbesondere die Tierproduktion in der Landwirtschaft sind relevante Emissionsquellen von Treibhausgasen. Damit die Bayerischen Klimaziele in der Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung erreicht werden können, müssen Strategien zu einer klimaschonenden Bewirtschaftung und für einen klimagerechteren Ernährungsstil entwickelt und umgesetzt werden.
Die industrielle, nicht mehr an Weideflächen gebundene Herstellung von Fleisch und Milch verursacht einen intensiven Anbau von Tierfutter weltweit. Die EU importiert mehr als 70% der Eiweißpflanzen für ihr Tierfutter.[5] Unser Fleischkonsum verbraucht Unmengen von Fläche und Wasser, steigert den weltweiten Düngereinsatz und schädigt Luft und Boden.
Bis 2021 werden knapp 40 % des Grundwassers in Bayern zu viel Nitrat aufweisen, der Absatz chemischer Spritzmittel steigt. Durch den Anbau von Monokulturen und Einsatz von Pestiziden geht der Bestand u. a. von Feldvogelarten massiv zurück.
Um zur globalen Entwicklung beizutragen, menschliches Wohlergehen zu fördern und die Umwelt zu schützen, verabschiedeten die Vereinten Nationen 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Ihr Kernbestandteil sind die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung («Sustainable Development Goals», SDGs), wie z.B.:
Ziel 2: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern
Ziel 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern
Ziel 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen
Ziel 13: Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen
Ziel 15: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen
Grüne Forderungen:
- Sonderforschungsprogramm Agrarökologie in Bayern;
- verstärkte Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe der Erhaltung von vielfältigem Saatgut;
- Sicherung der Ernährungssouveränität Bayerns;
- Ausrichtung des nächsten Entwicklungsprogramms für Bayern (2021 – 2028) an den Nachhaltigkeitszielen der UN (SDG).
[1] „Die Gesundheit“, so definierte die World Health Organization (WHO) im Jahr 1976, „ist ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen“.
[2] Bayr. Staatsministerium für Gesundheit und Pflege: http://www.stmgp.bayern.de/aufklaerung_vorbeugung/giba/gewicht/
[3] Weltagrarbericht, Wege aus der Hungerkrise 2013.
[4] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), IN FORM in der Gemeinschaftsverpflegung, www.inform.de; www.schuleplusessen.de; www.fitkid-aktion.de
[5] Weltagrarbericht, Wege aus der Hungerkrise 2013
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